Tagespflege für junge Pflegebedürftige

Leo Wennmacher, Tanja Müschen, Yvonne Geurts und Marcel Ballas (v.I.) in der Küche des „Check.In". FOTOS: EVA WEINGÄRTNER

Pflegebedürftigkeit ist keine Frage des Alters. Das stellt Marcel Ballas, Geschäftsführer der Lambertus gGmbH Hückelhoven, im Arbeitsalltag immer wieder fest. „Auch junge Menschen können durch einen Auto oder Motorradunfall, eine schwere Erkrankung oder einen Schlaganfall pflegebedürftig werden“, sagt Ballas. „Eine Pflegebedürftigkeit kann jeden Menschen zu jeder Zeit treffen

Allein im Kreis Heinsberg gibt es rund 700 junge Pflegebedürftige zwischen 18 und 50 Jahren. Trotz der vielen Fälle konzentriert sich das Gesundheitssystem und die Pflegebranche auf Pflegebedürftige im fortgeschrittenen Alter, also auf Senioren“, kritisiert Ballas. „Wenn die jungen Menschen dann ins Pflegeheim müssen, weil die Pflege zu Hause nicht möglich ist, leben sie 20, 30 oder sogar 40 Jahre neben Senioren, schauen im Gemeinschaftsraum Programme, die Senioren mögen und hören Musik für Senioren. Das ist nicht richtig“, macht Ballas deutlich.

„Einrichtungen für junge Menschen fehlen. Denn wer will mit 30 schon ins Seniorenheim, wenn die Pflege zu Hause nicht möglich ist?“, fragt er und betont: „Es muss doch mehr für diese Menschen geben, damit sie sich nicht in klassischen Pflegeeinrichtungen fehlplatziert fühlen.“

Die Lambertus gGmbH hat deshalb schon vor einigen Jahren sein Pflegeangebot auf junge Menschen zwischen 18 und 55 Jahre erweitert. In Hückelhoven etwa findet sich eine WG, in der junge, pflegebedürftige Menschen gemeinsam weitestgehend selbstbestimmt leben können. Nur einen Steinwurf davon entfernt eröffnet dieser Tage das „Check In“, eine Tagespflegeeinrichtung für junge Pflegebedürftige ohne angeborene Hirnerkrankung. „Es ist ein Modellprojekt und bundesweit die erste Tagespflege dieser Art“, so Marcel Ballas.

Entstehungsgeschichte

Der ursprüngliche Plan eines Neubaus wurde schnell verworfen, nachdem die Lambertus gGmbH das Hotel am Park erworben hatte. Das ehemalige Restaurant wurde entkernt, Trockenwände eingezogen, Wände gestrichen und die neu entstandenen Räume ausgestattet. So entstand das „Check.In“ mit einer Größe von rund 300 Quadratmetern. Es ist im modernen Design gehalten. Die Räume sind großzügig und bieten Rollstuhlfahrern viel Bewegungsfreiheit. Die Küche besticht durch eine höhenverstellbare Theke, Schränke und Spüle. Im Wohn- und Essbereich stehen zwei große moderne runde Tische und ein Kicker. Es gibt einen Galaxy-EDV-Raum, der alle digitalen Medien wie Netflix, 3-D-Brillen, Whiteboard, Computer und Tablets bietet, eine Werkstatt, die auch von den Bewohnern der Jungen Pflege (stationärer Bereich) mitbenutzt wird, mehrere behindertengerechte Badezimmer mit Liftsystem, Ruheräume sowie eine großzügige Terrasse.

So bekommen Menschen, die an einem Punkt ihres Lebens ganz plötzlich auf Pflege angewiesen waren, einen Ort, an dem sie wieder Teil der Gemeinschaft sind, einen Ort, an dem sie wieder eine Tagesstruktur erleben können. „Bei vielen jungen Pflegebedürftigen verweigern die Körper ihren Dienst, geistig sind sie aber fit wie zuvor. Gerade in diesen Fällen ist es eine zusätzliche psychische Belastung, plötzlich ein Pflegefall zu sein. Noch weniger förderlich ist es dann, zusammen mit Senioren, die völlig andere Interessen haben, zusammenzuleben“, sagt Tanja Müschen, die die Tagespflege leitet.

Der Eingangsbereich zum „Check.In."

Das „Check In“ wird sich deshalb an Bedürfnissen junger Menschen orientieren. „Moderne Medien, Computer, eine Werkstatt – es gibt jede Menge Möglichkeiten, im ‚Check In‘ den Tag zu gestalten“, erklärt Müschen. So soll die Lebensqualität bei den Gästen wieder erhöht werden.

Rund 760.000 Euro hat das Modellprojekt gekostet. „Junge Betroffene haben in einer Arbeitsgruppe zusammengetragen, was für Betroffene besonders wichtig ist, woran wir bei der Umsetzung unbedingt denken müssen, wie wir ihnen helfen können, sich selbst zu helfen“, erklärt Ballas. So findet sich in der Einrichtung eine rund 60.000 Euro teure Küche, die komplett höhenverstellbar ist, damit die Betroffenen selbstständig in der Küche agieren können. Auch Lifter sind in jeder Toilette angebracht.

„Wer plötzlich pflegebedürftig wird, fühlt sich oft nicht mehr als Teil der Gesellschaft. Viele haben das Gefühl, nichts mehr wert zu sein. Lambertus bietet mit der Tagespflege ‚Check In‘ die Möglichkeit, wieder aktiv am Leben teilzunehmen, sich selbst wieder etwas zuzutrauen und neues Selbstbewusstsein zu gewinnen“, macht Müschen deutlich.

Zwölf pflegebedürftige junge Menschen können täglich im „Check In“ betreut werden. Anmeldungen und Informationen für Betroffene erteilt die Lambertus gGmbH unter 02433/8360. Am Freitag, 24. Juni, um 11.30 Uhr, wird „Check In“ auf der Jülicher Straße 11 in Hückelhoven offiziell eröffnet werden.