Tournai - Stadt der Türme

Blick auf Weltkulturerbe: Die Kathedrale Notre-Dame, die gotische Belfried und mittelalterliche Schätze
Die Kathedrale Notre-Dame gehört zum Weltkulturerbe. Foto: Rolf Minderjahn
Die Kathedrale Notre-Dame gehört zum Weltkulturerbe. Foto: Rolf Minderjahn

Tournai in der Provinz Hennegau ist die älteste Stadt der Wallonie und die zweitälteste Belgiens. Zur Zeit der Römer hieß sie Turnacum und lag günstig an der Heer- und Handelsstraße zwischen Köln und dem Ärmelkanal. Tournai war einst Hauptstadt des Frankenreichs, Bischofssitz und Fürstenresidenz. Es war berühmt für Steinmetzkunst, Teppichherstellung und Maler wie Rogier van der Weyden, einen Meister des 15. Jahrhunderts. Durch die Schelde ist Tournai mit dem Hafen von Antwerpen verbunden.

Die Kathedrale Notre-Dame (Weltkulturerbe) ist 134 Meter lang. Geräumige romanische Schiffe öffnen sich zu einem großen Querschiff (67 Meter lang) mit zwei Apsiden sowie zu einem beeindruckenden gotischen Chor mit einer Länge von 58 Metern und 33 Metern Höhe unter dem Gewölbe mit überwältigend schönen Fenstern. Einzigartig: Das Querschiff ist mit fünf Türmen ausgestattet, die 83 Meter in die Höhe ragen (in der zugänglichen Kathedrale wird umfangreich restauriert). Ein Prunkstück ist die alte Tuchhalle am Markt. Sie wurde 1610 bis 1611 im Renaissancestil errichtet. Die Hauptfassade aus Blaustein besteht aus zwei Stockwerken mit je elf Jochen, die von prächtigen toskanischen und ionischen Säulen voneinander getrennt werden.

Der gotische Belfried von Tournai (Weltkulturerbe) ist der älteste Belgiens (1188). Er steht als Solitär auf dem Grand Place. Der Turm verfügt über sieben Etagen und ist aus dem für Tournai typischen Blaustein gebaut. Beim Aufstieg auf die Spitze des Turms mit 257 Stufen passiert man Räume mit didaktischen Ausstellungen, das Verlies, das Zimmer des Glöckners und den Glockenraum selbst.

Mittelalterliches Juwel

Die Kirche Saint-Jacques ist nach der Kathedrale von Tournai das zweitwichtigste Gotteshaus. Zusammen mit weiteren Pfarrkirchen bildet sie einen Kern sakraler Bauwerke des 12. und 13. Jahrhunderts, die außergewöhnlich gut erhalten sind.

Erst vor wenigen Wochen wurde die Restaurierung der wunderschönen historischen Scheldebrücke ,,Pont des Trous" mit ihrem jetzt erhöhten Bogen über dem Fluss abgeschlossen. Sie ist eines der prächtigsten mittelalterlichen Juwelen der Militärarchitektur in Belgien aus dem 13. Jahrhundert. Hierhin führt ein wunderschöner Spaziergang entlang der Schelde. Der Turm Henry VIII, auch ,,Dicker Turm" oder ,,Turm der Engländer" genannt, ist das letzte Relikt einer Zitadelle, die von eben diesen Engländern im 16. Jahrhundert errichtet wurde. Sie waren von 1513 bis 1519 die Herren der Stadt. Dieser Artillerieturm ist ziemlich gut erhalten geblieben.

Stadt der Museen

Ein Prunkstück Tournais ist die alte Tuchhalle am Markt. Der gotische Belfried (links) ist der älteste Belgiens. Foto: Rolf Minderjahn
Ein Prunkstück Tournais ist die alte Tuchhalle am Markt. Der gotische Belfried (links) ist der älteste Belgiens. Foto: Rolf Minderjahn

Tournai bietet eine Reihe toller Museen. Das Museum der Schönen Künste ist das einzige Bauwerk des Meisters des Jugendstils, Victor Horta, das von Anfang an zum Museum bestimmt war. Durch eine große Eingangshalle erreichen die Besucher weitläufige Säle, die sternenförmig von ihr abgehen und große Glasdächer haben. Diese Oberlichter liefern einen ungewöhnlichen und natürlichen Lichteinfall. Das Museum zeigt unter anderem Werke großer Meister wie Rubens, Monet, Manet (die beiden einzigen Werke von Manet, die in Belgien ausgestellt sind), Van Gogh, Jordaens und Ensor. Im Museum der Naturgeschichte taucht der Besucher in das Ambiente eines Kabinetts der Naturgeschichte des 19. Jahrhunderts ein. Das 1990 eröffnete Museum der Tapisserie beherbergt wertvolle Arbeiten aus der Kunst der Teppichweberei in Tournai aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Tapisserien aus Tournai finden sich beispielsweise auch im Metropolitan Museum in New York und in der Sixtinischen Kapelle in Rom.

Ein weiteres außergewöhnliches Museum ist der Kunst des Marionettenspiels in all seinen Darstellungsformen gewidmet. Tournai ist vor allem eines, eine Stadt der Gastlichkeit und des menschlichen Maßes. Sie ist von überschaubarer Größe, hier lässt sich wunderschön in aller Ruhe flanieren, etwa bis zu den Scheldekais, durch die historischen Viertel rund um die Kathedrale oder über vom Office du Tourisme ausgearbeitete Stadtrouten. (Rolf Minderjahn)

Weitere Informationen: visittournai.be