In Binche in der wallonischen Provinz Hennegau ist Karneval mehr als fröhliches Feiern. Er ist seit 2003 als Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Kulturerbes der UNESCO anerkannt. Seine Protagonisten, die Gilles, trinken am Morgen vor dem Umzug Champagner, essen Austern und werfen Apfelsinen beim Zug in die Menge.
Das Prunkstück des Kostüms ist der Hut mit den Straußenfedern, der nur zum großen Umzug aufgesetzt wird. Er wird jedes Jahr mit neuen Federn geschmückt, es können dreihundert und mehr sein. An den Füßen tragen die Gilles Holzschuhe. Die traditionelle Kopfbedeckung besteht aus einem „barrette“, einer Mütze aus weißer Baumwolle.
Die Ursprünge dieses Karnevals sind nicht genau zu bestimmen. Der Gille gilt jedoch als ein entfernter Cousin des „Gille“ aus der „Comedia dell Arte“, daher sein Name, denn fahrendes Theatervolk zog damals durch die Regionen des Hennegaus unter anderem mit den Figuren der Pierrots und Harlekine. Einer Legende zufolge soll im Jahre 1549 Maria von Ungarn ihren Bruder Karl V und seinen Sohn Philipp II von Spanien empfangen haben. Anlässlich dieses Besuches beschlossen die Hofdamen, sich bei den Feierlichkeiten nach „Art der Inka“ zu verkleiden, inspiriert von den Entdeckungen des Francisco Pizzaro in Peru. Daraus sollen die Kostüme der Gilles hervorgegangen sein.
Binche wartet mit einer weiteren Besonderheit auf, dem einzigartigen Internationalen Karnevals- und Maskenmuseum in einem alten Augustinerkloster. Besucher können die Ursprünge, die Bedeutung und die Entwicklung der Folklore von Binche entdecken und zudem eine einmalige Sammlung von Masken aus der ganzen Welt bestaunen. Seit dem 11./12. Jahrhundert bauten die Grafen von Hennegau auf dem vom Fluss Samme umflossenen Felsvorsprung einen imposanten Bergfried. Er ist eines der Prunkstücke im architektonischen Erbe von Binche und Weltkulturerbe der UNESCO. (Rolf Minderjahn)