Saint-Paul ist Lüttichs gotische Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert. Sie trat dem Rang nach an die Stelle der zerstörten Mutterkirche, der Kathedrale Saint-Lambert, die ursprünglich auf dem heutigen Place Saint-Lambert vor dem Fürstenpalast stand.
Saint-Paul steht auf dem Place de la Cathédrale mitten in der Lütticher City, dem wohl belebtesten Platz der Stadt, restauriert und üppig mit Stühlen und Tischen der umliegenden Lokale sowie mit Bänken dekoriert. Auch die Kathedrale wurde über viele Jahre glanzvoll restauriert. Die golden schimmernde neue Eingangstür, die Fenster in den Kapellen, im Chor und an den Oberlichtern der Seitenschiffe erscheinen im richtigen Sonnenlicht in einem bewundernswerten Farbenspiel nach innen und nach außen. Die sieben bunten Fenster an den Seiten zum Place de la Cathédrale sind von außen und von weitem zu erkennen. Die neuesten stammen aus den Jahren 2013 und 2014, vom Koreaner Kim en Joong. Die großen Fenster, vor allem des Querschiffs, sind mit sehr schönen gotischen Netzlinien versehen.
Die Kirche ist mit eindrucksvollen Marmorstatuen von Jean Delcour aus dem Barock sowie zahlreichen wertvollen Gemälden gespickt. Ein Muss - Die Schatzkammer: u.a. byzantinische und maasländische Elfenbeinarbeiten, Manuskripte, Skulpturen, Gemälde. Besonders kostbar: das Reliquiar des Charles le Téméraire (Karl der Kühne von Burgund) aus ca. 5 kg Gold und das Lambertus-Reliquiar, die größte in Europa erhaltene Reliquiar-Büste der Spätgotik. (1,59 m hoch und 1,07 m breit, 1512 in Aachen durch den Goldschmied Hans von Reutlingen angefertigt). Sehr schön: der versteckt gelegene anmutige Garten des Kreuzgangs, eine Oase der Ruhe und Kontrast zum quirligen Leben draußen.
In unmittelbarer Nähe zur Kathedrale, an der linken Seite, die Rue Saint Paul. Geschäft an Geschäft, Lukullisches, wo man nur hinschaut. Bäckereien, Metzgereien, Fischhändler und eine Edelkäserei, Le Bonheur est dans le Pré - das Glück liegt in der Wiese -, wie passend ist dieser Name und wie gut der Käse. Nebenan die Metzgerei André. Bekannt für ihre riesigen, saftigen, schmackhaften gekochten Knochenschinken, die von Hand mit dem Messer tranchiert werden. Gehüllt in ein halbes oder ganzes Baguette für unterwegs (zu annehmbaren Preisen), das ist Genussglück Lütticher Art.
Am Ende der Straße verläuft rechts ab die Rue des Clarisses, Restaurant an Restaurant. An deren Ende wiederum biegt man rechts ab in die Rue Saint-Rémy. Vorher empfiehlt sich auch ein Abstecher in die wenige Meter entfernt liegende schönste Kirche der Stadt, Saint-Jacques, quasi gegenüber.
Über die Rue Saint-Rémy taucht man in ein stilleres Lüttich ein, in ein Viertel, das schon als romantisch zu bezeichnen ist. Und es lohnt sich wirklich, mal hier und da einen Blick auch hinter die Kulissen zu werfen, in einen Innenhof hineinzugehen wie in den Cour Saint-Rémy. Der Charme mancher illustrer Patrizierhäuser ist noch heute geblieben, in den alten Ziegel- und Blausteinfassaden, die entlang dieser autofreien Gasse stehen. Mundgerechte Geschäfte, Restaurants, Weinhändler und einen Käseladen wie man ihn nur noch selten findet. Die Crèmerie Saint-Rémy, klassisch, klein, großer Geschmack aus Frankreich und aus Belgien in einer phänomenalen Auswahl.
Auf dem Place Saint Paul, der seine verruchte Vergangenheit hinter sich gelassen hat, befindet man sich an der rechten Seite der Kathedrale. Davor geht die Rue Bonne Fortune ab. Unbedingt hineingehen, vorbei an den Mauern, hinter denen sich die Schatzkammer der Kathedrale verbirgt. Eine Rast bietet sich im ehemaligen Stadtpalais, dem La Petite Épicerie, an. Innenhof in U-Form, feine weiß-graue Fassade, hohe Fenster, geschmiedetes Balkongitter und eine der schönsten Terrassen der Stadt. Biergarten auf der hinteren Seite des Hauptgebäudes. Die Rue Bonne Fortune führt in die Rue Saint-Paul, auf der man auf der anderen Seite zum Place de la Cathédrale zurückkehrt. (Rolf Minderjahn)