„Wir sehen nicht nur Zahlen, sondern Menschen" 

Björn Guske (SZHP) über die spezifische Pflegesituation von Frauen und die finanziellen Folgen.
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Die Zahl pflegebedürftiger Menschen steigt. Deren Alltag ist geprägt durch eingeschränkte Mobilität, Beschwerden beim Gehen oder Treppensteigen, beim An- und Auskleiden. Kein leichtes Thema für Pflegebedürftige und diejenigen, die selbst andere pflegen. Gerade Frauen erleben durch traditionelle Rollenbilder ganz spezifische Pflegeprobleme. Björn Guske vom Servicezentrum Häusliche Pflege (SZHP) des St.-Antonius-Hospitals (SAH) kann darüber ganze Bände füllen.

"Die Lebenserwartung von Frauen in Deutschland ist durchschnittlich fünf bis sechs Jahre höher als die der Männer. Wir pflegen daher heute schon zum größeren Teil Frauen, die verwitwet sind. Darunter sind viele, die sich zuvor um den eigenen Mann gekümmert haben, der dann verstorben ist. Werden Frauen selbst zum Pflegefall und wohnt kein Familienmitglied mehr in unmittelbarer Nähe, dann sind vor allem die finanziellen Folgen oft fatal. Von einer kargen Witwenrente die zu Miete zu bezahlen, ist schon 70 ein Kunststück. Der Auszug aus der Wohnung in hohem Alter ist im auch nicht gerade einfach. Dazu kommen noch die steigenden Kosten für Energie und Lebensmittel. Man muss es einmal in aller Deutlichkeit sagen: Pflegebedürftigkeit ist der Nährboden für Altersarmut," so Björn Guske.

Genau aus diesem Grund sei Pflegegeld wichtig: „Wir haben derzeit fünf Pflegegrade. Eine größere finanzielle Unterstützung ist ab Pflegegrad 3 möglich. Besonders bei den Sachleistungen, denn da gibt es zwischen Grad 3 und 4 einen deutlichen Sprung um nahezu 100%. Die Kostenträger haben erkannt, dass die Pflegebedürftigkeit in diesen Stufen so hoch ist, dass es den Menschen leichter gemacht werden muss, sich professionelle Hilfe leisten zu können."

70 bis 80% aller Frauen erleben nach Experteneinschätzungen im hohen Alter einen Zustand hochgradiger finanzieller Unsicherheit. Manchmal ist das Pflegegeld daher ein existenzieller Bestandteil des täglichen Überlebens. "Aber es geht nun einmal nicht allein nur ums Finanzielle. Wir im SHP fühlen uns verpflichtet, ganzheitlich und aktivierend zu pflegen. Wir betreuen teilweise Menschen, die wir schon seit über zehn Jahren kennen. Da entsteht ein Vertrauensverhältnis, die Hilfe ist umfassend und geht auch bis zu so wichtigen Dingen, wie die Beratung zur Regelung von Vollmachten. Unsere Kräfte sind so gut geschult, dass sie vorausschauend handeln können und so entstehende Probleme minimieren helfen können."

Nochmal zurück zur besonderen Rolle der Frauen. Diese kommen vor allem durch gesellschaftliche Rollenbilder in Not. Sie sind im Durchschnitt in geringerem Umfang berufstätig, weil sie sich der Kindererziehung widmen oder Eltern oder Ehegatten pflegen. Sie zahlen insgesamt weniger in die Rentenkasse ein, ergo gibt es auch weniger Rente."

In der Gesamtübersicht behält sich Björn Guske im SHP aber ein positives Bild: "Die ökonomischen Schwierigkeiten des Berufes begegnen mir täglich. Einerseits muss ich kaufmännisch handeln. Wohlgemerkt kaufmännisch und nicht gewinnorientiert. Andererseits haben wir alle hier eine gewisse empathische Grundhaltung. Wir sehen eben vor allem Menschen und nicht nur nackte Zahlen." (red)