Patrick Haas, Bürgermeister bei Kupferstadt Stolberg: „Sehe Innenstadt auf vielversprechendem Weg“

Interview anlässlich des zweiten Jahrestages der Flut: Wiederaufbau von Straßen, Leitungen, Tunneln, Brücken, Schulgebäuden und Kitas wurde konzeptionell und zukunftsorientiert gestaltet
„Es kann nicht sein, dass die Menschen bei jedem Ansteigen der Pegel weiter Angst haben müssen, weil Hochwasserschutzmaßnahmen zu lange dauern“ - Bürgermeister Patrick Haas. FOTO: MHA

Herr Haas, zwei Jahre nach der Flut - wo steht die Kupferstadt? Im Soll?

Patrick Haas: Wir haben sehr viel schon geschafft, vor allem wenn wir uns die unglaublichen Bilder der Zerstörung kurz nach der Flut ins Gedächtnis rufen. Wir haben alle Straßen, Leitungen, Tunnel und die meisten Brücken so wiederhergestellt, dass sie wieder befahrbar sind. Wir haben dafür gesorgt, dass die betroffenen Schulgebäude und Kitas wieder Kinder betreuen können, teils in hochwertigen Containerlösungen. Aktuell läuft die Sanierung des Steinwegs, die Planungen zum Rathausneubau und die Planungen für das Verkehrskonzept Talachse, mit dem wir alle weiteren flutbetroffenen Straßen sanieren werden.

Luft nach oben ist ja immer - wo sieht der Bürgermeister diese Luft?

Haas: Der Wiederaufbau braucht seine Zeit, vor allem was die notwendigen Planungsprozesse, Ausschreibungen und Beauftragungen angeht. Aber natürlich kann und soll es immer noch schneller gehen, das sehe ich auch so. Deswegen haben wir als erste flutbetroffene Stadt in NRW eine eigene GmbH für den Wiederaufbau gegründet. In dieser Gesellschaft können wir weiteres, über die Wiederaufbauhilfe von Bund und Land bezahltes Personal einstellen, das nur an den Projekten des Wiederaufbaus arbeitet und deren Umsetzung weiter beschleunigt.

Sowohl Stolberg als auch Eschweiler haben sich in der Vergangenheit mehrmals, sagen wir mal beschwert, dass es auf Seiten des WVER zu langsam vorangehe. Ist die Kritik aus Sicht der Stadt beim Verband angekommen?

Haas: Das wird das weitere Vorgehen des WVER zeigen. Aktuell gehört zur Wahrheit, dass der Hochwasserschutz in den betroffenen Städten nicht besser ist als vor der Flut. Gemeinsam mit meiner Eschweiler Kollegin Nadine Leonhardt habe ich beim WVER deshalb mehrfach gefordert, dass die Projekte aus dem Masterplan Hochwasserschutz zügiger umgesetzt werden müssen. Dafür muss auch der WVER intern die Strukturen schaffen, wie wir es beim Wiederaufbau in der Verwaltung auch tun müssen. Es kann nicht sein, dass die Menschen bei jedem Ansteigen der Pegel weiter Angst haben müssen, weil Hochwasserschutzmaßnahmen zu lange dauern.

Die Idee eines Factory Outlets ist ja dann letztlich verworfen worden ... hat das die Stadt auch zeitlich zurückgeworfen?

Haas: Eine umfassende Machbarkeitsstudie hat klar gezeigt, dass die Umsetzung eines Factory Outlets risikoreich und unter den aktuellen Gegebenheiten nicht sinnvoll ist. Das ist schade, aber es war ja bei Weitem nicht unser einziger Pfeil im Köcher, wie die aktuelle Innenstadtbelebung zeigt: Aktuell schaffen wir mit dem Sofortprogramm Innenstadt die erfolgreichste Vermittlung von leerstehenden Ladenlokalen seit sehr vielen Jahren. Schon jetzt sind Dank der großartigen Arbeit unseres neuen Innenstadtmanagers Andre Schroeder 13 Mietverträge unterschrieben und einige neue Läden schon eröffnet. Bis zum Jahresende rechnen wir mit 20 neuen Mietverträgen. Natürlich werden wir das Programm auch im nächsten Jahr weiterführen.

Und außerdem?

Haas: Dazu verbessern wir die Attraktivität unserer Innenstadt mit der schon begonnenen Sanierung der Einkaufsstraßen, den Planungen für ein Parkhaus in Oberstolberg, den Planungen für einen besseren ÖPNV in und zur Innenstadt oder natürlich auch dem Neubau des Rathauses, das auch ein wichtiger Frequenzbringer werden wird. Ich sehe unsere Innenstadt also auf einem sehr vielversprechenden Weg, auch wenn sich die Probleme, die wir auch schon lange vor der Flut hatten, nicht in 2-3 Jahren komplett beheben lassen.

Sie haben in der Vergangenheit immer betont, dass man die Auswirkungen der Flut auch als Chance begreifen muss, die Stadt zukunftsfähig aufzustellen. Wie sieht Stolberg - in der Talachse - in Zukunft nach Ihren Vorstellungen aus? Ist die Stadt auf einem guten Weg dahin?

Haas: Mir war und ist es wichtig, dass wir die Planungen zum Wiederaufbau konzeptionell angehen. Deswegen nehmen wir uns bei Straßen und Gebäuden nicht einfach die Pläne von vor der Flut und bauen sie genauso wieder auf. Dann hätten wir eine riesige Chance verspielt. Dieses Prinzip gilt von der Schule und Kita in Zweifall über die Kita Vicht bis hin zur Sanierung der Eisenbahnstraße. Ein Beispiel ist die Sanierung der Straßen: Wir werden diese so sanieren, dass sie nicht nur - wie jetzt - attraktiv für Pkw, sondern für alle Mobilitätsformen sind. Dabei geht es natürlich nicht um irgendwelche Verbote, sondern um breitere Mobilitätsangebote, die bei der letzten Straßenneugestaltung in der Innenstadt keine Beachtung gefunden haben. Auch die Kita in Vicht bauen wir nicht einfach wieder auf, sondern schaffen mit dem Neubau eine Ortsmitte mit Räumlichkeiten auch für Vereine.

Der Steinweg war ja schon vor der Flut ein Problemkind... die „reine“ Sanierung der Schäden ist das eine - die Wiederbelebung mit Einzelhandel das andere. Dabei ist die Stadt ja auch darauf angewiesen, dass die jeweiligen Eigentümer von Immobilien mitziehen. Tun sie das in dem Maße, wie es sich die Stadt wünschen würde?

Haas: Eine Antwort ist deswegen schwer, weil jeder Fall sehr individuell ist. Viele sind sehr aktiv, beispielsweise weil sie sich am Sofortprogramm Innenstadt beteiligen möchten. Es gibt aber auch Eigentümerinnen und Eigentümer, die aus persönlichen Gründen oder Handwerkermangel noch nicht entscheidend weitergekommen sind. Natürlich gibt es vereinzelt aber auch diejenigen, die trotz bestehender Möglichkeiten noch nicht mal mit der Sanierung ihrer Immobilie begonnen haben. In solchen Fällen üben wir als Stadt so gut wie möglich und schlussendlich auch mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln Druck aus.